![]() ![]() ![]() |
Eine CD-ROM aus Übersee
Es dürfte kaum einen aktiven Amiga-User geben, der noch nicht über das Kürzel APC&TCP gestolpert ist. So mancher mag im ersten Augenblick hinter der Abkürzung vielleicht ein neues Übertragungsprotokoll für ein revolutionäres Amiga-Netzwerk vermutet haben. Jener stellte aber nach kurzer Irritation fest, was alle anderen schon heraus fanden: Hinter APC&TCP verbirgt sich ein Computerclub [1], dessen treibende Kraft für den Außenstehenden offensichtlich Andreas Magerl ist. Und eben dieser Computerclub bietet nicht nur seinen Mitgliedern diverse Leistungen, sondern der gesamten Amiga-Schar (wie klein sie auch in den letzten Jahren geworden sein mag) weiche Ware zumeist auf relativ harten Silberscheiben. Eine dieser Silberlinge, vor wenigen Tagen erschienen und wohl nicht ohne Grund auf den Namen 'NEW BRAVE WORLD' getauft (wenn auch der Titel ebenso in leicht abgewandelter Form als 'Brave New World' auf der CD benutzt wird), hat sich in ein CD-ROM-Laufwerk meines A3000 verirrt. Und bei dieser Gelegenheit habe ich mir den Inhalt ein wenig näher angesehen.
Silberling mit Aha-Effekt
Beim ersten Öffnen der CD-ROM auf der Workbench hatte ich ein Erlebnis der besonderen Art: Die CD-Struktur kennst Du doch!
Nach kurzer Suche fand sich auch der Fast-Zwillingsbruder: die 'Faces of Mars 2001', ebenfalls vom APC&TCP vertrieben. Aber ein zweiter Blick offenbarte trotz weitgehend identischer Verzeichnisstruktur dennoch einige Unterschiede. Offensichtlich haben die Ersteller diesmal deutlich mehr Datenmaterial in das Polycarbonat gebrannt. Die auf dem Cover versprochene 'tonnenweise Amiga Software' füllt mit immerhin etwa 440 MByte die CD schon deutlich besser stärker als die vergleichsweise bescheidenen 188 MByte der 'Faces of Mars 2001'.
Doch die Datenmenge allein sorgt nicht automatisch auch für Qualität. Deshalb soll an dieser Stelle ein Streifzug quer durch die Bits und Bytes der Silberscheibe Kaufwilligen eine mögliche Handreichung für die Entscheidung sein, 29,95 DM für die CD-ROM zu investieren oder diesen Geldbetrag doch lieber der darbenden Bundeswehr zu spenden.
Exploration im Web-Browser
Das LiesMich.htm-Icon überredete mich prompt, selbiges zu versuchen. Selbst Amigianer ohne Web-Browser werden nach kurzer Zeit die Willkommensseiten zu Gesicht bekommen, denn eine auf der CD-ROM enthaltene AWeb-Demoversion übernimmt in der Standardeinstellung sehr einsteigerfreundlich die Präsentation der HTML-Seiten. Und auf diesen wird auch schnell klar, dass die Ähnlichkeit zur "Faces of Mars 2001" kein Zufall ist, trägt doch die CD-ROM dort den Titel "Faces of Mars - Brave New World".
Zwar bietet die Willkommensseite ein rudimentäres Inhaltsverzeichnis der CD-ROM, doch außer einer Auflistung der Unterverzeichnisse findet man keine weiterführenden Informationen zu den einzelnen Daten, auch kann man selbige bis auf wenige Ausnahmen nicht aus dem Inhaltsverzeichnis heraus erreichen. Schade.
Von den umfangreichen Dokumenten zu diversen Themen auf dieser CD-ROM sind unverständlicherweise lediglich zwei Web-Seiten-Abzüge ("Faces of Mars" und "Metalmoon"), Informationen über Außerirdische und, völlig unkommentiert und daher für unbedarfte Außenstehende (wie etwa den Verfasser dieses Textes), scheinbar zusammenhangslos aufgeführte "Internet Forwards", ein Sammelsurium diverser Bilder und Nachrichten in verschiedenen Sprachen, mit der Einstiegsseite verlinkt. Hinzu kommt als "Bonbon", sogar dem CD-Cover- Text als Verkaufsargument zu entnehmen, ein Blanko-Zertifikat über ein Mars-Grundstück. Wobei mir immer noch nicht der Sinn eines solchen Zertifikates einleuchtet - aber da fehlt mir sicherlich die interplanetare Fantasie.
Rückkehr zur Workbench
Nun denn, verlassen wir AWeb und bemühen wir die Workbench für die Erkundung der CD-ROM. Die Ersteller der Silberscheibe haben dieses offensichtlich geahnt und auch alle nicht ausführbaren Dateien, egal ob Text, Musikstück oder Bild, mit einem Icon versehen.
Sehr vorbildlich und benutzerfreundlich - zumindest vom Grundsatz her. Doch leider verkehrt sich dieser scheinbare Komfort in sein Gegenteil, denn wie schon bei der "Faces of Mars 2001" wurde auch diesmal nicht mit der nötigen Sorgfalt gearbeitet und viele Dateien erhielten ungeeignete Icons. Ein Bild ist nun mal kein Programm und kann mit einem solchen Icon (jedenfalls direkt) auch nicht gestartet werden.
So wird der Nutzer der CD-ROM immer wieder durch Fehlermeldungen über falsche Icon-Typen bzw. fehlende Datenträger, Programme und fehlerhafte Zuweisungen stolpern und nach kurz oder lang entnervt das Handtuch werfen.
Rettungsanker Dateimanager
So bleibt ihm, wenn er denn die Lust am Stöbern noch nicht verloren hat, als letzter Ausweg der Rückgriff auf einen Dateimanager wie etwa DOpus. Und mit eben diesem durchstreifen wir die Verzeichnisse:
1982
Die gut 58 MB umfassende "1982"-Schublade enthält neben eine Quer-Beet- Sammlung altehrwürdiger und auch neuerer Amiga-Spiele von "4Wins" bis "Worms" eine Mini-Emulator-Ecke mit Atari2600-, Gameboy-, NES- und SegaMS- Emulatoren. Auch eine Schublade mit immerhin zwei Bildern hat sich in das "1982"-Verzeichnis verirrt.
In "Babylon5" finden sich unter den 14 MB neben Texten und Bildern auch einige Videos im AVI-, MOV- und MPEG-Format zur gleichnamigen SF-Serie. Im Vergleich zur Auflösung der Videos dürften übliche Briefmarken schon fast als Plakate zu bezeichnen sein. Dafür sind die Bilder recht ansehnlich, wenn auch nicht immer der Bezug zu Babylon 5 erkennbar ist.
Immerhin gut 3 MB an Daten tummeln sich in der "Esoterik"-Schublade, darunter Tarot-, Astrologie- und Biorhythmus-Programme, aber auch Fortune/Cookie-Material. Und wer will, kann einen Liebes-Kalkulator bemühen.
Im "Fantasy"-Verzeichnis tummeln sich in 68 MB diverse Bilder (darunter auch 2 MB Manga-Zeichnungen) und für alle Freunde der "Buffy-vergrault-die- Vampire"-Serie umfangreiche Guides zu mehreren Film-Staffeln. Den Löwenanteil beanspruchen jedoch Spiele im Adventure-Stil mit 56 MB sowohl in Voll- als auch Demo-Versionen.
Das schon angesprochene Zertifikat über ein Marsgrundstück findet sich in der Schublade "FOM" gemeinsam mit der gespiegelten gleichnamigen Web-Seite, ebenso wie einige gerenderte Bilder und ein Postkarten-Spiel einschließlich Anleitung.
Obwohl uns bereits in mehreren Schubladen Spiele begegnet sind, sorgt noch einmal ein mit 30 MB gefülltes "Games"-Verzeichnis für Nachschub. Eine thematische Einordnung der Spiele ist nicht erkennbar.
"Internet" präsentiert neben der AWeb3.2-Demo-Version und BlackIRC die bereits erwähnten international gehaltenen "Forwards", ein Internet-Orakel und StrICQ.
Im YAM3PAddOn wird kurz beschrieben, wie man eine kostenlose E-Mail-Adresse unter 3Pyramids erhalten kann.
Auch ein "Languages"-Ordner hat sich auf die CD verirrt. Wer schon immer einmal die Aussprache der japanischen Sprache lernen wollte oder an der Konjunktion spanischer und portugiesischer Verben Freude hat, findet hier passendes Material.
"Mathematics" enthält neben zwei Fractal-Programme einen Countdown-Zähler für das Jahr 2000. Dieses letztgenannte Tool kommt gerade noch rechtzeitig...
Im "Misc"-Verzeichnis hat sich dem Namen entsprechend Verschiedenes angesammelt, so etwa ein Amiga-Tamagotchi in unterschiedlicher Ausführung, eine Workbench-Uhr und anderes mehr.
Ein eigenes "Music"-Verzeichnis enthält ein lediglich 22 kB großes File. Ob es jedoch tatsächlich Musik-Daten enthält, konnte nicht geklärt werden, da es von keinem mir zur Verfügung stehenden Musik-Programm identifizierbar war.
Ein weiteres mit bunt zusammengewürfelten Bildern gefülltes Verzeichnis "Pictures", diesmal im Wurzelverzeichnis der CD-ROM, belegt knapp 10 MB Platz.
In "Science" treffen wir erneut ein Astrologie-Programm (Neptune). Weshalb dieses nicht gemeinsam mit seinen Artverwandten in der Esoterik-Schulade residiert, bleibt unklar. Das Genealogie-Programm Scion ist gleich zweimal vertreten, wobei es die aktuellste Version des leistungsfähigsten Amiga- Stammbaum-Programm dennoch nicht bis auf diese CD geschafft hat. Mit "TitanicII" und "Tutankhamun" wurden zwei interessante Themen trotz aus heutiger Sicht bescheidener nativer Grafikfähigkeit des Amiga multimedial ansprechend aufbereitet.
"ScienceFiction" umfasst immerhin etwa 95 MB Datenmaterial in Form von Animationen, Spielen, Musik-Modulen, Bildern und Texten zumeist passend zum Thema. Die meisten Bilder sind durchaus ansehnlich, völlig unter der Gürtellinie erscheint dagegen die LemDemo-Animation. Wobei ohnehin wohl nur die CD-ROM-Ersteller den Bezug der Animation zum ScienceFiction-Thema erahnen können...
Auch in dieser Schublade dürfen die Spiele, mit viel Fantasie als irgendwie passend zum Thema erkennbar, nicht fehlen, darunter auch eine Napalm 1.1- Demoversion.
Der Text-Bereich enthält neben einem weiteren Buffy-Guide viele Dokumente zu diversen ScienceFiction-Serien. Die X-Files fehlen natürlich nicht. Auch viele andere Serien wie etwa Space 2063 sind vertreten. Ohne Kenntnisse der englischen Sprache werdet Ihr jedoch wenig Freude an den Texten haben.
Im "Space"-Verzeichnis bewegt sich der Amigianer nicht nur im Weltraum, sondern wird in dieser 44 MB umfassenden Schublade auch mit fliegenden Untertassen in Bild und Text konfrontiert. Wem (noch) das Geld für einen Ausflug in die Weiten des Alls fehlt, kann ja erst einmal mit einem Mini- Raumfahrzeug beginnen. Für das Space-Shuttle, dem Weltraumobservatorium sowie den Satelliten Landsat 7 findet Ihr im Verzeichnis Bastelanleitungen für Papiermodelle im PDF-Format.
Selbstverständlich darf auf einer CD wie der vorliegenden StarTrek nicht fehlen. Gut 40 MB an Daten zu diesem Thema wurden zusammengetragen und als bunte Mixtur aus Dokumentation, Bildern, einem Musik-Modul und Spielen und einigen Tools verrührt. Wer gern einmal den Borg-Würfel basteln möchte, bekommt eine passende Anleitung präsentiert.
Mit ähnlicher Mischung, aber mit 34 MB nicht ganz so umfangreich, dafür aber einer 4 MB großen Animation, schließt das "StarWars"-Verzeichnis unseren Rundgang ab. Die bereits angedeutete Animation "Amiga_vs_Microsoft" beschreibt als modernes Märchen den Sieg des (Amiga-) David gegen den (bösen und fetten Kampfstern-MS-) Goliath. Wer's glaubt...
Fazit
Die "Brave New World"-CD-ROM präsentiert sich als ein buntes Sammelsurium an Daten, die meist in irgend einer Form mit Esoterik, Weltraum, UFOs und Science Fiction zu tun haben (sollen). Im Vergleich zur ersten Ausgabe, den 'Faces of Mars 2001', hat der zweite Aufguss wesentlich an Umfang zugelegt. Leider wurden viele Mängel der ersten Ausgabe wie falsche Piktogramme, falsche Zuweisungen oder auch fehlende Programme nicht beseitigt. Dennoch ist die Qualität spürbar gestiegen. Wer keinen Internetzugang besitzt, ebensowenig die Aminet-CDs sein Eigentum nennt und/oder mit "Faces of Mars 2001" bereits zufrieden war, bekommt mit "Brave New World" jede Menge neues Material. Die Qualität ist gemessen an der augenblicklichen Amiga-Situation bei einem Preis der CD-ROM von 29,95 DM für Fans der berücksichtigten Genre-Bereiche noch akzeptabel.
[1] http://www.apc-tcp.de/index.html
Uwe Pannecke <Uwe.Pannecke@t-online.de>